KLIMAKINO – FÜR EIN NEUES MITEINANDER
24.-27.08.2023 – 20 Uhr
Ein Blick auf unsere Welt lässt den Atem stocken: Nachrichtenbilder vom schmelzenden Polareis lösen Berichte von Hitzewellen und Waldbränden ab. Auf der Weite des Mittelmeeres treiben täglich überfüllte Flüchtlingsboote, kriegerische Konflikte und Ernährungskrisen lassen ganze Nationen hungern, während der andere Teil der Menschheit im Überfluss lebt. Das Knirschen im Getriebe unserer Weltordnung ist überdeutlich zu hören. Klimaveränderung, Überbevölkerung, Hungerkrisen, Kriege und Flüchtlingsströme, aber auch die Krisen unserer Finanzsysteme und das schwindende Vertrauen in Demokratien: wohin man auch blickt, es klaffen lauter drängende Probleme. Die Welt ist aus den Fugen geraten.
Immer mehr Filme stellen sich der wichtigsten Herausforderung unserer Zeit und trotzen der grotesken Gegenwart. Wo nüchterne Studien und warnende Fakten der Wissenschaftler:innen nicht weiterkommen, schaffen Regisseur*innen eindrückliche Filme, die berühren, erschüttern, aufrütteln – aber auch Hoffnung wagen. An vier Abenden widmet sich das Nachbarschaftskino des Studio Mosaik Filmen, welche die Krisen unserer Gegenwart und unsere sich verändernde Umwelt in den Blick nehmen. Ob radikal-aktivistisch oder poetisch, nachdenklich oder provokativ, warnend oder mit partizipativem Ansatz, wir zeigen Filme, die trotz der düsteren Botschaft die Hoffnung nicht verlieren und zum Umdenken anstoßen. Filme, die Diskussion anregen, die das weltweite Ungleichgewicht, aber auch internationale Protest- bewegungen sichtbar machen und Visionen für ein neues Miteinander eröffnen.
Kuratiert von Susanne Radelhof und Canan Yilmaz
WELCOME TO SODOM
»Welcome to Sodom« dokumentiert das Überleben auf der gigantischen Elektroschrott-Halde Agbogbloshie in Ghana, von den Bewohner:innen nur »Sodom« genannt. Zwischen brennenden Müllbergen und giftigen Rauchschwaden stapeln sich auf endloser Weite monumentale Türme zerfallener Geräte, Berge von Gehäusen, Handys und Platinen, umwuchert von endlosen Knäulen aus Kabeln und Drähten. Der Boden hier gilt als einer der giftigsten der Welt, dennoch ist die Müll-Stadt Überlebensort für 40.000 Menschen, die recyceln, was das reiche Europa nicht mehr braucht. Der globale Wirtschaftskreislauf hat den Menschen hier ihren Platz am untersten Ende der Verwertungskette zugewiesen – doch diese Welt aus Schrott und Müll gibt ihnen Brot und Zukunft.Die kunstvolle Dokumentation »Welcome to Sodom« spiegelt den grotesken Umgang der westlichen Welt mit dem afrikanischen Kontinent und zeigt in epischen-mythischen Bildern eine Hölle auf Erden: Agbogbloshie ist die Negativfolie unserer glanzvollen digitalen Welt und seine Bewohner:innen die wahren Verlierer unserer digitalen Revolution. Doch inmitten der düsteren Bilder wahrt der Film Haltung, zeigt Momente der Emanzipation und erzählt von den Träumen der Menschen, denen der Film voller Respekt und Würde begegnet – inmitten dieses verwunschenen, ja würdelosen Ortes.
STYX
Ganz alleine auf dem weiten Meer, unterwegs zu einer fast einsamen Insel – das ist der Traum der Kölner Notärztin Rieke (Susanne Wolff). Von Gibraltar aus sticht sie mit ihrem Segelboot in See. Ziel ihrer Reise ist die Atlantikinsel Ascension Island, hier ließ Charles Darwin einst mit Gewächsen aus aller Welt einen künstlichen Dschungel anlegen. Doch statt des erhofften Inselparadieses trifft Rieke nach einem Sturm auf hoher See auf ein überladenes Flüchtlingsboot, das zu Sinken droht. Als ihre Notrufe an die Küstenwache unbeantwortet bleiben und keines der umliegenden Schiffe zur Hilfe eilt, wird Rieke gezwungen zu handeln.
»STYX« ist ein sprachloser Film, der seine Protagonistin auf offenem Meer in einer moralischen Extremsituation aussetzt und so das ethische Dilemma aller Europäer aufzeigt: Sich raushalten geht nicht, alle zu retten aber auch nicht – einen einfachen Ausweg kann es nicht geben. Regisseur Wolfgang Fischers beklemmendes Kammerspiel konfrontiert uns direkt mit der Frage: Wie würden wir handeln?
DARK EDEN – der Albtraum vom Erdöl
Im kanadischen Fort McMurray liegt eines der größten und letzten Ölvorkommen unseres Planeten. Wie magisch zieht das „schwarze Gold“ Menschen aus aller Welt an. Denn mit dem Ölsand lässt sich so viel Geld verdienen wie nirgend woanders. Doch der Preis ist hoch, denn die aufwändige Gewinnung des Öls aus dem Teersand setzt lebensgefährliche Stoffe frei, die Natur, Tiere und Menschen vergiften. Ausgerechnet an diesem verlorenen Ort findet Regisseurin Jasmin Herold die große Liebe, ihren späteren Co-Regisseur Michael Beamish. Doch als Michael schwer erkrankt, sind die beiden plötzlich unmittelbar betroffen und ihr eigener Albtraum beginnt.
»Dark Eden« ist ein existenzielles Drama über Segen und Fluch fossiler Energie und dokumentiert hautnah große Hoffnungen, zerplatzte Träume und eines der größten Umweltverbrechen unserer Zeit.
Rise Up
Wie verändert man die Welt? Es heißt, dass jeder gesellschaftliche Fortschritt von mutigen Menschen erkämpft werden musste – doch wie ist ihnen das gelungen? Der Dokumentarfilm »Rise Up« sucht gemeinsam mit fünf außergewöhnlichen Menschen Antworten auf die verheerenden ökologischen, wirtschaftlichen und autoritären Entwicklungen unserer Zeit. Die Geschichten über konkrete gesellschaftliche Umbrüche zeigen, wie sich jeder Einzelne gegen die großen Ungerechtigkeiten unserer Zeit einsetzen kann – und transportieren vor allem eines: Hoffnung. Hoffnung, dass politischer Einsatz kein Kampf gegen Windmühlen ist, sondern dass man globalen Krisen und sozialer Ungerechtigkeit entgegentreten kann.
»Rise up« ist eine filmische Anklage gegen staatliche Repression und gesellschaftliche Missstände, doch vor allem eine hoffnungsvolle Reflexion von sozialem Engagement unserer Zeit. Umgesetzt von einem Regie-Kollektiv ist ein kämpferischer Film entstanden, der zum Handeln aufruft – gegen den Pessimismus und für mehr Mut.